Nachdem ich in anderen Threads mehrfach meine Steuerungskonfiguration der Benzineinspritzung (Injektion) mit zwei alternativen Modi erwähnt habe, will ich das nun auch mal kurz

beschreiben, wie versprochen.
Diese Konfiguration ist für meine beiden B's identisch, das objektiviert die Beobachtungen.
1 Grundlagen
1.1 Modul "PowerCommander"Beide Autos sind nicht nur mit dem DSM-Step-5 von DSM modifiziert, sondern durch DSM zusätzlich mit einem Zusatzsteuergerät für die Benzineinspritzung (es handelt sich um einen PowerComander5, PC5) ausgerüstet; im Foto die beiden Kästchen unten rechts, zu sehen auch der USB-Anschluss für den Computer.

Der PC5 sitzt zwischen Serien-ECU und Injektoren und kann dadurch die Injektion insofern modifizieren, dass er die Injektionsdauer und damit die Menge an eingespritztem Benzin pro Verbrennungstakt durch einen positiven oder negativen Offset ändert und dadurch das Gemisch fetter oder magerer macht.
1.2 Injektions-KennfeldDafür wird im PC5 ein Kennfeld gespeichert, in dem
die Injektion als (prozentuale) Modifikation der Injektion der Serien-ECU-Injektion
als Funktion für jede Kombination aus
(1) Motordrehzahl und
(2) Drosselklappenstellung (also "wie viel Gas gegeben wird")
eingetragen ist.
(Das Kennfeld des PC5 weist keine kontinuierlichen, sondern diskrete Werte auf; es unterteilt dazu die Drehzahlachse in 250-rpm-Schritte von 500 bis (im Falle der Barchetta) 7.000 rpm, und die Drosselklappenachse in die Schritte 0, 2, 5, 10, 15, 20, 40, 60, 80 und 100 % Drosselklappenöffnung, 0 % ist also Leerlauf, 100 % Vollgas. Das Kennfeld weist damit für die Barchetta 27 x 10 = 270 Funktionswerte = individuelle Injektionswerte auf.)
Ein Wert wie im Screenshot unten von z.B. -12 für 1.750 rpm / 10 % bedeutet demnach, dass der Injektionswert der Serien-ECU bei einer Drehzahl von 1.750 rpm und einer Stellung des Gaspedals von 10 % von Vollgas um 12 % abgemagert wird; +12 würde dementsprechend eine Anreicherung um 12 % bedeuten.

Das Kennfeld lässt sich über einen PC und die entsprechende Software einrichten.
1.3 Modul "Autotune"Dazu ist der PC5 um das sogenannte Autotune-Modul und eine Breitband-Lambdasonde ergänzt. Da die Serienkonfiguration nur die übliche Sprung-Lambdasonde verwendet, verfügen die Autos nun über jeweils zwei Lambdasonden.
Die Serien-ECU verwendet also die Werte der Sprungsonde, der PC5 + Autotune die Werte der Breitbandsonde.
Zwischen beiden Sonden wird durch einen Kippschalter im Motorraum umgeschaltet:

Läuft der Motor im Serienmodus (also mit der Sprungsonde), verwendet der PC5+Autotune ein Kennfeld, bei dem sämtliche 270 Funktionswerte 0 sind; dies bedeutet, die Injektionswerte der Serien-ECU werden nicht modifiziert, der PC5 ist sozusagen "außer Funktion".
Läuft der Motor dagegen im PC5-Modus ("Sportmodus", also mit der Breitbandsonde), registriert die Serien-ECU die fehlende Sprungsonde als Fehler und schaltet in den "ECU-Notfallmodus", d.h. sie reichert die Injektion so weit an, dass der Motor läuft; aber natürlich viel zu fett. (Das würde im Notfall, also z.B. bei ausgefallener Lambdasonde, dazu reichen, die nächste Werkstatt anzufahren, aber natürlich nicht für die nächste AU.) In diesem Fall übernimmt dann der PC5 die korrekte Steuerung der Injektion, indem er das Gemisch auf die Zielwerte des Kennfeldes abmagert.
Auf diese Weise lassen sich die fest abgespeicherten Injektionswerte der Serien-ECU bei Bedarf sehr fein modifizieren.
1.4 Statisches oder dynamisches Injektions-KennfeldDie Kennfeldwerte lassen sich statisch oder dynamisch eingeben.
Statisch bedeutet, es existiert ein festes Kennfeld. Ein solches gibt es zunächst nicht für die Barchetta (denn der PC5 ist für Motorräder entwickelt), aber DSM stellt solche selbst entwickelten Kennfelder zur Verfügung, die sich auf den eigenen PC5 aufspielen lassen - sicherlich empfehlenswert für eher unerfahrene Anwender, da grob falsche Injektionswerte dem Motor schaden können (Einstellung dann zu fett oder zu mager). Das Autotune-Modul ist dann verzichtbar.
Ein dynamisches Kennfeld ermöglicht das Autotune-Modul. Als Führungsgröße (Zielwert) wird dabei ein gewünschter AFR-Wert vorgegeben und das Autotune-Modul passt die Injektion fortwährend so an, dass die gewünschte AFR beim Fahren (!) für alle 270 Kennfeld-Positionen eingestellt wird (so weit diese auf der Straße überhaupt erreicht werden; auf dem Prüfstand kann man natürlich tatsächlich alle 270 Positionen wählen); dazu verwendet das Modul den Lambda-Wert der Breitbandsonde. Die Injektionswerte werden laufend in das Kennfeld des PC5 eingetragen und dort dynamisch gespeichert; sie können über den Computer ausgelesen werden und auf Wunsch auch dauerhaft (statisch) im PC5 und/oder im Computer abgespeichert und analysiert werden.
Statische und dynamische Kennfeldbereiche lassen sich im Kennfeld des PC5 auch kombinieren.
1.5 Kennfeldabhängige PC5-Modifikation im SerienmodusAuch eine kennfeldabhängige Kombination von Serieninjektion und PC5-Injektion ist möglich, allerdings nur bei Verwendung der Sprungsonde (weil die Serien-ECU die Werte der Breitbandsonde nicht deuten kann), und nur in dem außerhalb des von der Serien-ECU über die Sprung-Lambdasonde lambda-geregelten Kennfeldbereich, weil sonst die Lambdaregelung der Serien-ECU gegen die Injektionsmodifikation durch den PC5 anregelt. Nach Messungen von DSM beginnt der entweder beim Überschreiten von ca. 4.250 rpm oder beim Überschreiten von ca. 40 % Drosselklappenöffnung, und für diese verbleibenden ca. 125 Positionen im Kennfeld kann der PC5 dann die Modifikation übernehmen; dies kann statisch oder dynamisch erfolgen, wie oben beschrieben.
Eine kennfeldabhängige Kombination von Serieninjektion und PC5-Injektion unter Verwendung der Breitbandsonde ist nicht möglich (dazu müsste das Umschalten zwischen den beiden Lambdasonden selbst dynamisch in Abhängigkeit von Drehzahl und Drossel gesteuert werden; dafür gibt es aber nach meiner Kenntnis kein fertiges Modul auf dem Markt, also höchstens was für Elektronikbastler …

).
1.6 Option "Virtuelle Beschleunigerpumpe" des PC5Der PC5 bietet eine weitere Möglichkeit, in die Injektion der Serien-ECU einzugreifen: xxx
Dazu differenziert der PC5 ab einstellbaren Drosselklappen-Schwellenwert die Änderung der Drosselklappenstellung über die Zeit (misst also, "wie schnell und stark das Gaspedal getreten wird") und kann in Abhängigkeit von diesen (über den Computer im PC5 programmierbaren) Werten ebenfalls die Serien-Injektion für eine ebenfalls einstellbare kurze Zeit modifizieren, also wie eine Hardware-Beschleunigerpumpe das Gemisch für kurze Zeit anreichern.
1.7 Option "Virtuelle Beschleunigerpumpe" der PC5-Modifikation im SerienmodusDa die oben genannte Option ganz unabhängig von der Lambdasonde arbeitet, kann sie auch im Serienmodus eingesetzt werden.
1.8 Modul "POD-300"Als drittes Modul sind beide Autos mit einer Anzeige- und Speicherhardware, dem "POD-300" ausgerüstet; bei mir reversibel links hinter dem Lenkrad angebracht:

Dieser zeigt dem Fahrer auf einem Display fortlaufend mit hoher zeitlicher Auflösung auch während der Fahrt vor allem vier Parameter an, die vom PC5 bereitgestellt werden: Neben den Fahrzeugwerten (1.) Drehzahl und (2.) Drosselklappenöffnung den (3.) realen AFR-Wert (und/oder wahlweise den korrespondierenden Lambda-Wert) der Breitbandsonde und (4.) den realen Modifikationswert der PC5-Injektion.

Im abgebildeten Fall läuft der Motor im Leerlauf (Drosselklappe 0 %, also Gaspedal nicht getreten) bei einer Leerlaufdrehzahl von 838 rpm (so soll es sein!

), das Kennfeld sieht dafür keine Modifikation der Injektion vor ("Injection 1" = 0,0 %) und die Breitband-Lambdasonde ermittelt dabei einen AFR-Wert von 14,0 (auf dem Bild gerade gewechselt von 13,9; das zeigt die hohe zeitliche Auflösung), der ebenfalls genau normgerecht ist. (Der AU stünde damit zumindest im Leerlauf nichts im Weg …

)
Der POD-300 bekommt als Eingang alle Werte aus dem PC5. Da der PC5 wiederum immer den Eingang aus der Breitbandsonde erhält (also unabhängig davon, welche Lambdasonde die Serien-ECU verwendet), zeigt der POD-300 immer das reale Gemisch an.
Auf diese Weise lässt sich sich fortwährend auch während der Fahrt kontrollieren, wie sich das Gemisch verhält, unabhängig davon, ob gerade der Serienmodus oder der PC5-Modus verwendet wird.
Außerdem lässt sich dauernd beobachten, ob und wie der PC5 abhängig von Drehzahl und Drossel in die Injektion eingreift und welche Folgen das für das Gemisch hat. Mit Hilfe schwellenwert-programmierbarer Warnlämpchen kann der POD-300 auch schnell darauf aufmerksam machen, wenn AFR- bzw. Lambda-Grenzwerte nach oben (zu mager) oder nach unten (zu fett) überschritten werden (im Foto oben links "
grün", also alles ok!).
Zusätzlich lassen sich die Werte fortlaufend im POD-300 speichern, hinterher auf den Computer übertragen und dort auswerten.
2 Einsatzmöglichkeiten
2.1 Motorüberwachung
Im Serienmodus zeigt der POD-300 dauernd
- die exakte nummerische Motordrehzahl: z.B. Schwankungen der Leerlaufdrehzahl lassen sich dadurch viel genauer beobachten als mit dem "Drehzahlmesser",
- die Drosselklappenstellung: z.B. "Gasgeben-Gewohnheiten" und damit Benzinverbrauch lassen sich damit sehr genau beobachten und optimieren,
- den AFR- bzw. Lambdawert: Abweichungen im Gemisch, die sich z.B. auf den Leerlauf auswirken, werden sofort sichtbar, was dann u.a. zu einer nicht abgenommenen AU führen kann.
2.2 Notfall-WorkaroundsProbleme mit der Steuerung der Serieninjektion, die zu schlechtem Motorlauf führen, lassen sich behelfsweise durch eine PC5-Injektion überbrücken, bis die Ursache gefunden ist.
Ein Beispiel dafür habe ich unter "Leerlaufprobleme? Weitere (6.) mögliche Ursache: Temperaturfühler" (
https://barchetta-forum.de/smf/index.php?topic=22744.0) beschrieben; ich habe im Lauf der Jahre mehrfach gerade plötzliche Leerlaufprobleme mit verschiedenen Ursachen auf längeren Touren oder gar Reisen auf diese Weise solange behelfsweise lösen können, bis ich zuhause auf Fehlersuche gehen konnte (deswegen habe ich da meistens einen kleinen Laptop mit der PC5-Software dabei

).
Ein anderes Beispiel könnte ein Defekt der Serien-Lambdasonde sein, der sich vorübergehend durch die PC5-modifizierte Injektion im Serienmodus mit einem statischen PC5-Kennfeld oder auch direkt über den PC5 und die Breitbandsonde überspielen lässt.
Der "Notfallmodus" der Serien-ECU z.B. durch Anfetten bietet da vergleichsweise schlechtere oder gar nicht funktionierende Alternativen.
2.3 LeistungssteigerungenDie Einstellungen von Serien-ECUs sind Kompromisse der Hersteller zwischen "Performance", Verbrauch, Langlebigkeit, Servicefreundlichkeit (oder -unfreundlichkeit??), Emissionsvorschriften und Herstellungskosten der Steuerung selbst (hab ich was vergessen?). Sie sind somit für eine große Käufergruppe vereinheitlicht. Tuning, also auch elektronisches Tuning, bedeutet, in diesen Kompromiss verschiebend einzugreifen, in welche Richtung auch immer.
Mit einer PC5-Injektionsmodifikation ließe sich das Injektionskennfeld sehr viel feiner sowohl in Bezug auf Verbrauchsverringerung als auch in Bezug auf Leistungssteigerungen abstimmen (für Letzteres käme auch die virtuelle Beschleunigerpumpe des PC5 in Betracht).
Leistungssteigerung würde bei der Injektion meistens (aber nicht immer) auf Anreicherung ("Anfettung" des Gemischs), also einen kleineren AFR- bzw. Lambda-Wert hinauslaufen. Das könnte z.B. AFR = 13 (λ = 0,9) statt AFR = 14 (λ = 1) bedeuten, was ein üblicher "sehr moderater" (und für den Motor unbedenklicher Wert) für Leistungssteigerungen im alltags-"sportlichen" Bereich wäre. Klar ist aber auch, dass mit jeder Anfettung in dem Moment Verbrauch und Emissionen ansteigen. Die tatsächlich resultierende Gesamtbilanz (die ja auch vom Fahrstil und anderen Faktoren abhängt; eine "Leistungssteigerung" muss insofern gar nicht unbedingt zu einer Verbrauchserhöhung beitragen) lässt sich dann (auch unter Emissionsschutz-Aspekten) erst an der Tankstelle feststellen.
2.4 Rechtliche AspektePunkt "2.1 Motorüberwachung" ist diesbezüglich völlig unproblematisch; Punkt "2.2 Notfall-Workarounds" ebenfalls, wenn ein technischer Notfall plausibel gemacht werden kann, allerdings längstens bis zur nächsten AU (oder evtl. auch Verkehrskontrolle mit Abgastest - soll es bei Posern an und an geben, aber zu denen gehören wir eher nicht, denke ich mal …

). Bei Punkt 2.3 muss jede und jeder auf öffentlichen Straßen wissen, was er oder sie tut; die Rechtslage ist ja sehr klar.
Ich freue mich über alle
technisch orientierten (!) Diskussionsbeiträge (bitte keinen Small Talk und keine Stammtischdiskussion …

)!